Geschäftsbericht 2023

Innovation

Innovation als Treiber für mehr Nachhaltigkeit im Einklang mit unserer Unternehmensvision, uns vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten, ist ein Kernelement unserer Konzernstrategie und Teil der eigenen Identität. Unser Innovationsverständnis ist dabei weit gefasst: Wir richten uns an den SDGs aus und bauen nicht nur auf die klassische Forschung und Entwicklung (F&E), sondern darüber hinaus auf das hohe Kreativitätspotenzial im gesamten Unternehmen. Wir ermutigen alle Mitarbeitenden, Innovation bei Covestro voranzutreiben.

Auf allen Ebenen arbeiten wir in enger Abstimmung mit dem für Innovation verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden zusammen. Dabei geht es darum, neue Produkte zu entwickeln, etablierte Produkte zu verbessern sowie Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren zu optimieren, um unsere Position im globalen Wettbewerb zu halten und zu stärken. Auch Anwendungsbereiche sowie Geschäftsmodelle und -prozesse werden fortlaufend hinterfragt.

Innovation wird bei Covestro in drei Kernbereichen gebündelt: Mit Blick auf den ersten Kernbereich betreiben wir geschäftsnahe Forschung und Entwicklung in den Geschäftseinheiten. Hier verfolgen wir spezifische, kurz- und mittelfristig ausgerichtete F&E-Themen. Bezogen auf den zweiten Kernbereich befasst sich die Unternehmensfunktion Group Innovation & Sustainability überwiegend mit mittel- und langfristigen Themen rund um Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung. So werden im Rahmen sogenannter Innovationsplattformen strategisch maßgebliche Themen wie bspw. chemisches Recycling oder Einsatzmöglichkeiten alternativer Rohstoffquellen für unser Produktportfolio vorangetrieben. Als dritten Kernbereich verantwortet Group Innovation & Sustainability die Bereitstellung einer global abgestimmten F&E-Infrastruktur und unterstützt die Geschäftseinheiten bei der Forschung und Entwicklung.

Die Unternehmensfunktion Process Technology verbessert zum einen mit kurz- und mittelfristig ausgerichteten F&E-Projekten bestehende Produktionsprozesse und treibt zum anderen Prozessentwicklungen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung voran, die häufig einen mittel- bis langfristigen Charakter haben. Die Verzahnung und Koordination der drei Kernbereiche für Innovation erfolgt in konzernweiten Steuerungsgremien unter dem Vorsitz des Vorstandsvorsitzenden. Die Abstimmung von Innovationsthemen mit Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsthemen wird durch die Mitgliedschaft der Leitung der Unternehmensfunktion Group Innovation & Sustainability in den entsprechenden funktionsübergreifenden Steuerungsgremien, wie z. B. dem ESG Governance Body (ESG GoB) bzw. dessen Nachfolger, dem Sustainability & Innovation Governance Body (SI GoB), sichergestellt.

Innovationsmanagement

Über unser konzernweites, funktionsübergreifendes Innovationsmanagement stellen wir sicher, dass unsere laufenden und geplanten Aktivitäten stets den Bedürfnissen unserer Abnehmerindustrien und Endverbrauchermärkte entsprechen. Covestro nutzt hierfür vielfältige Werkzeuge: So bewerten wir jedes F&E-Projekt nach einem standardisierten Verfahren und bringen die gewonnenen Erkenntnisse in laufende und künftige Projekte ein. Zur Diskussion und Bearbeitung von neuen, kreativen Ideen aus allen Teilen des Unternehmens steht die globale digitale Plattform „idea.lounge“ zur Verfügung. Unabhängig davon können Mitarbeitende in Deutschland eine weitere digitale Plattform namens „Covestro Ideenmanagement“ nutzen, über die im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens alle Verbesserungsvorschläge verwaltet werden. Weiterhin umfasst das Innovationsmanagement die systematische Etablierung und Steuerung von lokalen sowie globalen Kooperationen zur Gewinnung strategisch relevanter, für Covestro komplementärer Kompetenzen.

Im Geschäftsjahr 2023 betrugen unsere gesamten F&E-Aufwendungen 374 Mio. € (Vorjahr: 361 Mio. €). Im Wesentlichen wurden die Mittel für die Entwicklung neuer Anwendungslösungen für unsere Produkte sowie die Optimierung von Produkten und Prozesstechnologien verwendet. Zum 31. Dezember 2023 waren weltweit 1.338 Mitarbeitende* (Vorjahr: 1.477) in der Forschung und Entwicklung tätig. Die meisten von ihnen arbeiteten an den drei größten F&E-Standorten in Leverkusen, in Pittsburgh, Pennsylvania (USA), und in Shanghai (China).

* Die Anzahl der Mitarbeitenden (Festanstellungen und befristete Arbeitsverhältnisse) wird in Vollzeitäquivalenten (Full Time Equivalents, FTE) dargestellt. Teilzeitbeschäftigte werden dabei gemäß ihrer vertraglichen Arbeitszeit proportional berücksichtigt. Auszubildende sind in dieser Kennzahl nicht enthalten.

Strategische Partnerschaften und Kooperationen

Forschung und Lehre

Durch interne Aktivitäten und externe Kooperationen mit strategischen Partnern aus Industrie und Wissenschaft möchte Covestro die Effizienz seiner Forschung steigern. Kooperationen sowie die Zusammenarbeit in großen, öffentlich geförderten Konsortien prägen die Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette.

Überblick über die drei wichtigsten Kooperationen mit Universitäten

Das vom Bundesland Nordrhein-Westfalen geförderte Inkubationszentrum „QuinCAT – Quick Incubation in Catalysis“ an der RWTH Aachen University, das von Covestro unterstützt wird, wurde im Jahr 2023 erfolgreich in Betrieb genommen. Dort sollen chemische Ideen so weiterentwickelt werden, dass sie im nächsten Schritt eine Gesellschaftsgründung ermöglichen. Covestro berät bei diesem Prozess und wird bei Inkrafttreten des Lenkungsausschusses durch unseren Vorstandsvorsitzenden vertreten. Die öffentlich geförderte Nachwuchsforschergruppe Enzymkatalyse, kurz NEnzy, befasst sich insbesondere mit der Bioabbaubarkeit von Kunststoffen und der Abwasseraufbereitung in der Kunststoffproduktion.

Open Innovation und Gemeinschaftsprojekte mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette

Der Wandel zu einer zirkulären Wirtschaft erfordert die Einbindung unserer Lieferanten und Kunden. Covestro erschließt hierbei zum einen bestehende Ökosysteme im Sinne eines Open-Innovation-Ansatzes über die Bereitstellung von oder die Mitwirkung an Kooperationsplattformen. Über konkrete Projekte werden zum anderen Recyclingtechnologien aus der Forschung in die Industrialisierung überführt.

Seit dem Geschäftsjahr 2023 arbeiten wir mit Partnern aus Forschung und Industrie im von der Europäischen Union (EU) geförderten Projekt LUCRA daran, Bernsteinsäure aus organischen Rest- und Abfallstoffen zu erzeugen. Bernsteinsäure ist eine der wichtigsten Basischemikalien und wird von Covestro bspw. bei der Herstellung von Isocyanaten verarbeitet.

Über die ebenfalls von der EU geförderte Wissensgemeinschaft „Hubs4Circularity“ arbeiten wir mit verschiedenen europäischen Partnern an der Umsetzung von zirkulären Konzepten in einem regionalen Maßstab. Die Gemeinschaft soll dazu beitragen, dass Erkenntnisse aus bereits bestehenden Initiativen und Konzepten erfasst und auf andere Projekte übertragen werden können. Der Aufbau einer gemeinsamen Wissensbasis beschleunigt die Implementierung von zirkulären Konzepten wie der industriellen Symbiose, bei der bspw. Nebenprodukte als Rohstoff genutzt werden. Covestro bringt beispielhaft Erkenntnisse aus dem Projekt „CIRCULAR FOAM“ ein. Durch die Zusammenarbeit bei „Hubs4Circularity“ erhalten wir Einsichten, wie zukünftig zirkuläre Wirtschaftsmodelle gestaltet werden können.

Mit den Partnern im Netzwerk rund um das RAPID Manufacturing Institute, New York (USA), arbeiten wir an effizienteren Prozessen für die chemische Industrie. Das Institut verfügt über eine hohe Reputation für die Optimierung von Produktionsprozessen, die für Covestro relevant sind – insbesondere bei energieintensiven Prozessen.

In China hat sich Covestro als Betreiber einer Open-Innovation-Plattform in Shanghai etabliert. Im Rahmen der „Group Open Innovation“-Initiative der Regionalregierung ermöglicht diese den Zugang zu einem umfassenden Netzwerk von insgesamt 34 Großunternehmen, einer Vielzahl von Start-ups sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen, die bspw. in den Bereichen „medizinische Anwendungen“ oder „tragbare Elektronik“ aktiv sind.

Um der zunehmenden Nachfrage nach mehr Lieferkettentransparenz nachzukommen, entwickeln viele unserer Kunden Lösungen wie bspw. digitale Produktpässe (Digital Product Passports, DPP). Unsere Werkstoffe werden Teil dieser DPPs sein. Die Informationen und Datensätze unserer Werkstoffe, die wir verkaufen, werden mit den Kunden mithilfe von digitalen Softwarelösungen ausgetauscht. Um diese Daten für DPPs zu generieren, benötigen wir auch Materialdaten von unseren Lieferanten. Daher arbeitet Covestro neben dem Kundenbereich auch im Lieferantenbereich an digitalen Plattformen und Richtlinien. Mit wichtigen Kunden und in Projekten pilotieren wir die Entwicklung von DPPs, um die zukünftige Fähigkeit zur Verfolgung und Rückverfolgung von Materialien und Inhaltsstoffen durch digitale Softwarelösungen in jeder Phase des Produktlebenszyklus zu verbessern.

Digitale Innovationen

Covestro treibt die digitale Transformation in allen Geschäftsbereichen und -funktionen entschieden voran und erschließt damit die verbundenen Potenziale. Die digitale Transformation umfasst dabei mehrere Handlungsfelder: von der Anwendung moderner digitaler Technologien über die Generierung qualifizierter Daten bis hin zur Arbeitsweise und funktionsübergreifenden Kollaboration der Mitarbeitenden, immer mit dem Ziel, den größtmöglichen Nutzen für das Geschäft zu erzielen. Mitarbeitende für das Thema der digitalen Transformation in diesen Handlungsfeldern zu befähigen, ist ein wichtiger Baustein, der sich auch in einem Transformationsprogramm für die Belegschaft weltweit widerspiegelt.

Jenseits der internen Prozesse gilt es auch, die gesamten Wertschöpfungsstufen der Chemie- und Kunststoffindustrie mit besonderem Blick auf Nachhaltigkeit voranzutreiben. Im Jahr 2023 hat Covestro eine cloudbasierte Applikation etabliert, die die produktspezifische Lebenszyklusanalyse (Lifecycle Assessment, LCA) digitalisiert. Diese ermöglicht Covestro nicht nur eine deutlich schnellere Berechnung, sondern gibt auch Hinweise, an welchen Stellen Treibhausgasemissionen – speziell der produktspezifische CO2-Fußabdruck – reduziert werden können. Im Berichtsjahr wurde das Berechnungsverfahren durch die TÜV Rheinland Energy GmbH, Köln, zertifiziert. Covestro verfügt so über eine innovative Softwarelösung für die LCA seiner Produkte. Die Validierung der berechneten Daten erfolgt bis zum Ende des Jahres 2024, sodass die Daten für Verkaufsprodukte im Jahr 2024 schrittweise für die Kunden zur Verfügung stehen werden.

Durch eine immer bessere Integration von digitalen Lösungen und besonders von künstlicher Intelligenz (KI) bei Covestro können die internen Prozesse stetig verbessert werden. Ein Beispiel für die Nutzung von Chancen durch KI in den administrativen Funktionen wurde im Zusammenhang mit der Liquiditätsrisikosteuerung umgesetzt. Auf Basis historischer und aktueller Daten ist es mithilfe von maschinellem Lernen (Machine Learning) gelungen, die Vorhersage unserer kurzfristigen operativen Zahlungsströme zu verbessern. Dabei erfolgt die Datenverarbeitung vollständig automatisiert. Die verbesserte Vorhersagegenauigkeit erlaubte im Berichtsjahr eine erhebliche Reduktion des zur kurzfristigen, operativen Steuerung vorgehaltenen Liquiditätspuffers. Außerdem treibt Covestro seit Anfang 2023 die Implementierung generativer KI voran. Unser Covestro Virtual Assistant gibt bereits Hunderten von Mitarbeitenden zentralen Zugriff auf die ersten KI-Entwicklungen für unterschiedliche Anwendungsfälle. Diese reichen von einfacher Nutzung von großen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) in einer sicheren Umgebung bis hin zu speziellen Anwendungen in den Bereichen Einkauf und Unternehmensrichtlinien.

Für unseren datenzentrierten F&E-Ansatz bei Covestro ist der Einsatz leistungsstarker Data-Science-Methoden von entscheidender Bedeutung. Die Kombination von Domänenwissen in der Materialchemie, Kundenorientierung und prädiktiver Datenmodellierung führte zu einer Reihe herausragender digitaler Produkte. Diese helfen unseren Kunden bspw. dabei, die richtige Formulierung für bestimmte Materialeigenschaften auszuwählen, oder sie ermöglichen einen einfachen Zugang zu komplexen optischen Materialdaten.

Unsere Zusammenarbeit mit Google Ireland Ltd., Dublin (Irland), ausgewählten Start-ups und Topuniversitäten zur Entwicklung von Quantenalgorithmen für die Computerchemie wurde mit großer Entschlossenheit fortgesetzt. Neben der Evaluierung heutiger Quantenhardware wurden eigene Forschungsergebnisse erarbeitet und teilweise publiziert.

Simulationen werden bei Covestro in allen Bereichen der Forschung und Entwicklung sowie der Prozesstechnik umfassend eingesetzt, um Materialien und Prozesse möglichst effizient zu erforschen, zu entwickeln und zu optimieren. Das Spektrum der eingesetzten Methoden reicht dabei von der atomaren bis zur makroskopischen Skala. Die Berechnungen werden auf modernsten Großrechnern lokal in Leverkusen durchgeführt. Zusätzlich werden elastische Cloud-Computing-Ressourcen eingesetzt, um die Flexibilität der Rechenleistung zu erhöhen und Lastspitzen abzufangen. Insbesondere werden dabei Anwendungsfälle aus der Kreislaufwirtschaft und der Erforschung neuartiger Materialien fokussiert. Unsere realistische Simulation der Polyurethan-Schaumverarbeitung wird bereits sehr erfolgreich in Kundenprojekten der Polyurethan-Anwendungsentwicklung und zur schnellen Rezepturfreigabe für Maschinenversuche eingesetzt.

Unser oben beschriebener datenzentrierter F&E-Ansatz erfordert hochwertige Daten aus allen F&E-relevanten Prozessschritten in Laboren und Technikzentren. Um eine stetig wachsende Menge an qualitativ hochwertigen Daten zu erhalten, streben wir seit Jahren eine vollständige Digitalisierung der F&E-Prozesse an. Im letzten Jahr trieben wir die Einführung digitalisierter Laborprozesse in allen wichtigen Forschungs- und Entwicklungszentren in Deutschland, China und den USA voran, deren Daten wiederum auf unserer globalen F&E-Wissensplattform gespeichert werden können.

Zudem wurde ein konzernweites Team mit dem Ziel etabliert, die Digitalisierung in den Produktionsbetrieben weiter voranzutreiben. Neben der Identifikation von wertschaffenden Anwendungsfällen und Projekten liegt ein besonderes Augenmerk auf der Ausnutzung von Synergien, um kosteneffizient die Digitalisierung zu beschleunigen. Das ist möglich durch die Nutzung harmonisierter Infrastruktur und Cloud-Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür ist eine effektivere Darstellung der aktuellen Energieeinsätze in den Betrieben der deutschen Standorte. Diese ermöglicht eine bessere Kontrolle der Energieeinsätze und dient als Unterstützung für die weitere energetische Optimierung der Prozessfahrweise.

Prozesstechnologieinnovationen

Ein weiterer wesentlicher Treiber für Innovationen bei Covestro ist die Prozesstechnologie. Die entsprechende Unternehmensfunktion trägt die globale Verantwortung für die Verfahrenstechnik in der Produktion von Covestro und unterstützt das operative Geschäft in den Segmenten. Hauptziele sind die Optimierung bestehender Produktionsverfahren, die Entwicklung neuer Prozesstechnologien, die Umsetzung führender Technologien im Prozessdesign für neue Produktionsanlagen sowie die Überführung der Herstellungsverfahren neu entwickelter Produkte in einen industriellen Maßstab.

Die Optimierung unserer bestehenden Produktionsverfahren ist ein wesentliches Element beim Erreichen unseres Nachhaltigkeitsziels, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. Ein Beispiel dafür ist die im Jahr 2023 erfolgreich in Betrieb genommene Chlor-Alkali-Produktionsanlage an unserem Standort in Tarragona (Spanien), in der nun erstmals die Sauerstoffverzehrkathoden-Technologie im großen industriellen Maßstab eingesetzt wird.

Ein weiterer Beitrag zur Emissionsreduktion ist die Verbesserung der Prozessintegration am Standort in Krefeld-Uerdingen, die zu einem geringeren Dampfverbrauch führt. Darüber hinaus konnte am Standort Brunsbüttel durch eine Designverbesserung in der Chlor-Produktion eine erhebliche Absenkung des Energieeinsatzes erzielt werden.

Ein weiteres maßgebliches Element beim Erreichen unserer Nachhaltigkeitsziele ist das Reduzieren von Abfallströmen, was bspw. in unserer HDI-Produktion in Shanghai (China) erreicht werden konnte.

Dank der Digitalisierung können Produktionsanlagen vorrausschauender gesteuert werden. Ein Beispiel dafür ist die Produktion von Desmodur® N 3900 am Standort Dormagen, in der die eingesetzte Katalysatormenge gesenkt werden konnte. Durch digitale Simulationen, wie dem Operating-Training-Simulator (OTS) in Tarragona (Spanien), zur Schulung des Betriebsteams wurde die effiziente und sichere Inbetriebnahme unserer neuen Anlage unterstützt.

Die Compoundierung von Polycarbonaten bei Engineering Plastics konnte durch statistische Auswertung der Prozess- und Produktqualitätsdaten weiter optimiert werden, sodass qualitätsbedingte Stillstände und Ausschussware reduziert wurden, was zu einer Kapazitätssteigerung führte.

Auch bei der Entwicklung von neuen Produktionsverfahren zum Erreichen der Kreislaufwirtschaft wurden weitere Erfolge erzielt. So wird bspw. an innovativen Recyclingtechnologien geforscht, um den Rohstoffzyklus zu schließen. Im Labormaßstab konnte für die chemische und thermische Spaltung von Kunststoffen in Einzelbausteine für MDI-basierte Hartschäume und Polycarbonate die Machbarkeit gezeigt werden. Zudem gelang es erstmals, ein Weichschaummuster aus jeweils vollständig recyceltem Polyol und Toluylen-Diisocyanat (TDI) herzustellen. Beide Rohstoffe wurden in der Pilotanlage von Covestro in Leverkusen gewonnen.

Die Erschließung biobasierter Rohstoffe ist ebenfalls ein wichtiger Baustein für die Vision der vollständigen Zirkularität. So konnte bspw. biobasiertes Hexamethylendiamin (HMDA), eine wichtige Vorstufe für die Herstellung von Lackrohstoffen, bereits in industrierelevanten Mengen in einer Pilotanlage hergestellt werden. Diese Entwicklung erfolgt in Kooperation mit dem amerikanischen Unternehmen Genomatica, San Diego, Kalifornien (USA). Darüber hinaus wurde das Verfahren zur Herstellung von biobasiertem Anilin im Rahmen eines öffentlich geförderten Projekts vom Labormaßstab in den Pilotmaßstab weiterentwickelt und erfolgreich in Betrieb genommen.

Um diese und weitere Innovationen zu ermöglichen, investiert Covestro weiterhin konsequent in den Ausbau der Forschungsinfrastruktur. So wird zur Verfahrensverbesserung am Standort Antwerpen, Belgien, eine Pilotanlage für Polycarbonat gebaut und in Leverkusen wurde eine Miniplant für modifizierte Isocyanate in Betrieb genommen. Zudem wurde ein neues Technikum in Leverkusen in Betrieb genommen. Mit über 1.300 m2 Fläche bietet es Platz für die Hochviskostechnik sowie für weitere Kreislaufwirtschafts- und Prozessoptimierungsprojekte. In Planung ist eine weitere Pilotanlage für Polycarbonat in Leverkusen, welche sich auf das chemische Recycling des Kunststoffs fokussiert.

Produktinnovationen

In den beiden Segmenten Performance Materials und Solutions & Specialties von Covestro werden für verschiedene Industrien, insbesondere unsere Hauptabnehmerindustrien, Produktinnovationen vorangetrieben.

Automobil- und Transportindustrie

Die Automobil- und Transportindustrie befindet sich weiterhin auf dem Weg in eine elektrifizierte und autonome Zukunft. Diese möchten wir mit kundenzentrierten Innovationen aktiv mitgestalten und vorantreiben. Dank Makrolon® Ai – einem Polycarbonat mit sehr hoher optischer Reinheit – profitieren Ingenieurinnen und Ingenieure von erweiterten, kreativen Freiheiten. Die Makrolon®-Ai-Displaytechnologie bietet ein glasähnliches Aussehen sowie ein Höchstmaß an funktionaler Integration mit HMI(Human Machine Interface)-Systemen und anderen integrierten Sensoren.

Zu den Trends, die wir im Fahrzeuginnenraum beobachten, gehört, dass die Originalausrüstungshersteller neue Muster für Fahrzeugoberflächen einführen. Vor allem natürliche Materialien und Oberflächen mit einem authentischen Look-and-Feel sind angesagt, z. B. Holzmaserungen, stoffartige gewebte Texturen und Textilien, Kork und Stein. Um es Designern zu ermöglichen, diese Oberflächen mit Polycarbonaten zu gestalten, die hinterleuchtet werden können, hat Covestro ein spezielles Material entwickelt, das den Spagat zwischen der Steifigkeit von Glas und der Dehnbarkeit von Polycarbonat schafft und gleichzeitig den Transparenzeffekt erhält: Makroblend® OM 845G.

Möbel- und Holzverarbeitungsindustrie

Auch im Bereich der Möbel- und Holzverarbeitungsindustrie entwickelt Covestro stetig neue, nachhaltigere Produktinnovationen. So treiben wir nicht nur unsere Vision, uns vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten, voran, sondern versetzen auch unsere Kunden und Partner in die Lage, nachhaltigere Produkte herzustellen.

Ein Beispiel dafür ist Arfinio®, das im Oktober 2022 auf den Markt gebracht wurde. Es ermöglicht die Verarbeitung aliphatischer Polyurethane in Reaktions-Injektions-Formen (Reaction Injection Molding, RIM). Damit können Hersteller nahtlose Formen ohne Platten anfertigen und sich dabei neue Kombinationen vorteilhafter Eigenschaften erschließen: von mechanischer Beständigkeit, Lichtstabilität und Reparierbarkeit bis hin zu geringem Produktgewicht, schneller Produktion und verbesserter Designfreiheit. Für Arfinio® hat Covestro zusammen mit seinem Partner Arcesso Dynamics die Auszeichnung „Best of the Best“ im Mai 2023 verliehen bekommen. Die jährlich von der Koelnmesse und Red Dot organisierte internationale Auszeichnung würdigt herausragende Designleistungen, die neue Branchenstandards hinsichtlich Form, Funktionalität und Nachhaltigkeit setzen.

Zudem hat unsere Partnerschaft mit Sinomax und The Vita Group zu einer neuen Generation von Polyurethan-Schäumen geführt. Diese bestehen anteilig aus unserem aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellten TDI Desmodur® CQ. Covestros TDI wird mit „ISCC PLUS“-zertifizierten Rohstoffen hergestellt, was Sinomax und The Vita Group erlaubt, keine ihrer bewährten Rezepturen, Ausrüstungen und Prozesse ändern zu müssen.

Covestros „Evocycle® CQ“-Initiative ist ein weiterer Schritt Richtung klimafreundlicher Matratze. Zum ersten Mal ist es gelungen, sowohl Polyether als auch Toluylen-Diamin (TDA), ein Vorprodukt von TDI, aus alten Matratzen zurückzugewinnen. Durch chemisches Recycling führen wir sie in die Wertschöpfungskette zurück, um qualitativ hochwertigen, erneuerten Polyurethan-Schaum zu erzeugen, der zudem eine hohe Leistung bietet. Dafür haben wir eine Pilotanlage entwickelt, um so das chemische Recycling zu einem effizienten industriellen Prozess zu transformieren und auszubauen.

Bauindustrie

Für die Bauindustrie arbeiten wir besonders an unserer Kernanwendung – dem Polyurethan-Hartschaum. Dieser leistet als Dämmstoff einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz von Gebäuden. Mit MDI CQ bieten wir ein zentrales Material u. a. für die Herstellung von Polyurethan-Dämmplatten und -Sandwichpaneelen an, das aufgrund der Verwendung von alternativen Rohstoffen auf der Basis von Pflanzenabfällen klimaneutral produziert wurde. PU-Dämmplatten haben sich seit vielen Jahren als hocheffiziente Elemente und nachhaltige Baustoffe in der Wärmedämmung von Gebäuden bewährt. Der Heiz- bzw. Kühlbedarf von Gebäuden kann durch den Einsatz einer Polyurethan-Dämmung um bis zu 70 % reduziert werden.

Elektrik-, Elektronik- und Haushaltsgeräteindustrie

Im Bereich der Elektrik-, Elektronik- und Haushaltsgeräteindustrie wurden im Berichtsjahr neue Materialien entwickelt, wobei auch hier der Fokus auf Nachhaltigkeit lag.

Makrolon®-RE-Polycarbonat ist eine innovative Produktlösung, die wichtigen Kunden hilft, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ohne Kompromisse bei der Leistungsfähigkeit einzugehen. Eine der größten Herausforderungen bei der Herstellung der nächsten Generation von Festnetzgeräten bestand darin, den CO2-Fußabdruck des Materials zu reduzieren und trotzdem eine gute Infrarot-Transparenz beizubehalten. Der gewählte Makrolon®-RE-Typ mit einem Anteil von über 87 % nachwachsenden Rohstoffen hat einen um mehr als 89 % geringeren CO2-Fußabdruck als herkömmliche Polycarbonate. Das Polycarbonat, das die „ISCC PLUS“-Zertifizierung erhalten hat, zeichnet sich durch Rohstoffe aus biologischen Abfällen und Reststoffen aus, die fossile Rohstoffe ersetzen.

Covestro hat eine neue Reihe von Platilon®-TPU-Folien für Smart-Skin-Pflaster-Anwendungen auf den Markt gebracht. Smart-Skin-Pflaster erlauben das Überwachen von Vitalparametern durch die Integration von Elekronik in das Pflaster selbst. Die neuen TPU-Folien können nicht nur mit Standardtinten bedruckt werden, sondern lassen sich auch gut mit silberbasierten Tinten bedrucken. Die Bedruckbarkeit mit silberbasierten Tinten ist wichtig, da diese eine gute Leitfähigkeit gewährleisten und eine zuverlässigere Integration von Sensortechnologie ermöglichen. Darüber hinaus können die neuen TPU-Folientypen mit einem steiferen Polypropylen-Träger ausgestattet werden, der während des gesamten Verarbeitungsprozesses, insbesondere beim Aushärten, für Stabilität sorgt.

Der von Covestro und seinen Partnern gemeinsam entwickelte Solarmodulrahmen aus Polyurethan-Verbundwerkstoff erweitert das Angebot an Rahmenstoffen für Photovoltaikmodule um eine neue Lösung. Die integrierte Lösung, bei der Baydur® zum Einsatz kommt, aus einem endlosfaserverstärkten Polyurethan-Pultrusionsprofil und wasserbasiertem Polyurethan-Lack bietet den Herstellern von Photovoltaikmodulen eine neue Werkstoffoption als Alternative zu Rahmen aus Aluminiumlegierungen. Durch die lastgerechte Endlosfaserverstärkung ist seine axiale Zugfestigkeit mehr als siebenmal so hoch wie die einer typischen Aluminiumlegierung. Außerdem weist er eine hohe Beständigkeit gegen Salznebel- und chemische Korrosion auf.

Andere Industrien

Auch im Bereich Ausweisdokumente entwickelt sich Covestro mit seinen Polycarbonat(PC)-Folien hin zur Kreislaufwirtschaft. Covestros teilweise mechanisch recycelte PC-Folie leistet einen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Marktsegment Identitätssicherheit (Identity Security). Die neue weiße PC-Folie Makrofol® ID357 bietet ähnliche Eigenschaften, Qualität und Leistung wie die herkömmliche weiße PC-Folie Makrofol® ID von Covestro. Sie wird z. B. für Inlay-Lösungen für Ausweisdokumente verwendet. Linxens, ein führender Anbieter von sicheren komponentenbasierten Lösungen für Sicherheit und Identifikation, wird Makrofol® ID357 in seiner neuesten Inlay-Lösung für Dokumente einsetzen.

Auch im Sportswear-Markt ist Covestro mit seinen innovativen Lösungen vertreten. Die aliphatischen expandierenden thermoplastischen Polyurethane (ETPUs) der Desmopan®-CQ-Serie sind robust, elastisch, flexibel, kratzfest und nachhaltig und ermöglichen Herstellern die Entwicklung von Anwendungen mit biobasiertem Inhalt, die Designfreiheit und die Kombination von Funktionalität und Komfort bieten. Covestro ist eine Partnerschaft mit dem führenden Hersteller für Schaumstoff-Molding, Alpha (Guangdong) Hi-tech Material Co., Ltd., Guangdong (China), eingegangen, um neue Wege bei Zwischensohlenschaumlösungen für die Schuhindustrie zu beschreiten. Darüber hinaus erfüllt Covestro mit einer Auswahl von TPU-Folien, -Fasern, Vliesstoffen und zum Teil biobasierten Stoffen der Desmopan®-Serie die strengen Kriterien für die bluesign-Zertifizierung. Die Herkunft der Rohstoffe wird transparent nachverfolgt, wobei alle Verarbeitungsschritte in die Bewertung einfließen.

Die Organisation International PUR hat eine neue technische Lösung entwickelt, die auf mechanisch upgecycelten Kernschaumstoffabfällen aus der Baynat®-Autohimmelfertigung basiert. Anstatt den Ausschuss aus der Baynat®-Dachhimmelfertigung zu entsorgen, bieten innovative Möglichkeiten des Recyclings und der Aufwertung dieses wertvollen Rohstoffs für hochwertige Anwendungen wie Prototypen und fertigungsunterstützende Werkzeuge eine neue Chance für Kunden. Dieses wertvolle und kosteneffiziente Material kann Aluminium ersetzen und andere Ressourcen schonen, während gleichzeitig der Abfall, der bei der CNC-Bearbeitung von Werkzeugen entsteht, reduziert wird.

Covestros Makrolon® 3638 ist ein neues und extrem strapazierfähiges Polycarbonat, das im Gesundheitswesen und in Biowissenschaften zum Einsatz kommt. Von Geräten zur Medikamentengabe über tragbare Geräte bis hin zu Einwegbehältnissen für die biopharmazeutische Herstellung, alle haben eine wichtige Anforderung gemeinsam: Sie müssen robust und strapazierfähig sein, damit sie dem täglichen Gebrauch standhalten und dabei ihre strukturelle Integrität bewahren. Da Makrolon®-3638-Polycarbonat sowohl in geschlossenen als auch offenen Kreisläufen recycelbar ist, fügt es sich gut in zirkuläre Geschäftsmodelle ein und kann aufgrund des zugeschriebenen Biozirkulärgehalts zu einem verbesserten CO2-Fußabdruck beitragen.

Covestro hat außerdem einen neuen Typ von MDI-Polyester-Prepolymer (Desmodur® MD1657) entwickelt, der eine niedrige Härte aufweist. Ziel ist es, unsere Kunden in der Bergbauindustrie bei der Umstellung von TDI-Prepolymeren (PTMEG) auf MDI-Polyester-Systeme zu unterstützen, indem wir ein Zweikomponentensystem anbieten, das leistungsfähiger und weniger anspruchsvoll in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit ist (MOCA-frei). TDI-PTMEG-Systeme werden häufig zur Herstellung von Bergbausieben verwendet, da sie weniger empfindlich auf die Produktionsparameter reagieren. Das Desmodur®-MD1657-System ermöglicht es den Kunden, die TDI-PTMEG-Systeme zu verwenden, ihre Anlagen (in der Regel Zweikomponentenmaschinen) beizubehalten und auf ein Produkt umzusteigen, das in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit weniger herausfordernd ist, um Teile mit besseren Eigenschaften für die Anwendung in Bergbausieben herzustellen.

Covestro bietet mit Decovery® CQ 6010 eine teilweise biobasierte Lösung mit hoher Atmungsaktivität für Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton. Dadurch lassen sich Verpackungen mit Laminierungen aus Kunststoffen wie Polyethylen oder mit Aluminium ersetzen, was die Recycelbarkeit deutlich erhöht. Mit einem bis zu 34 % geringeren CO2-Ausstoß und einem nachweisbar biobasierten Anteil von bis zu 37 % ist das Produkt eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Lösungen.

HDI / Hexamethylen-Diisocyanat
Eine chemische Verbindung aus der Gruppe der aliphatischen Isocyanate, die hauptsächlich in Polyurethan-Lacksystemen verwendet wird
Kreislaufwirtschaft
Ein regeneratives Wirtschaftssystem, in dem sowohl Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen als auch Energieeinsatz minimiert werden. Grundlage dafür sind langlebige und geschlossene Material- und Energiekreisläufe.
MDI / Diphenylmethan-Diisocyanat
Eine chemische Verbindung aus der Gruppe der aromatischen Isocyanate, die hauptsächlich in Polyurethan-Schaumstoffen verwendet wird
SDGs
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (United Nations Sustainability Goals, SDGs) wurden von allen UN-Mitgliedern ratifiziert und traten am 1. Januar 2016 in Kraft. Sie haben zum Ziel, weltweit die Armut zu bekämpfen, den Planeten zu schützen und Frieden und Wohlstand für alle zu sichern.
TDI / Toluylen-Diisocyanat
Eine chemische Verbindung aus der Gruppe der aromatischen Isocyanate, die hauptsächlich in Polyurethan-Schaumstoffen und -Lacksystemen verwendet wird

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