Geschäftsbericht 2022

Luftaufnahme einer Fabrik mit grünem Overlay (Grafik)

Strategie, Steuerung und Implementierung

Strategie

Die Geschäftstätigkeit von Covestro ist mit einem hohen Energiebedarf verbunden. Vor diesem Hintergrund umfasst unsere strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit neben einem Fokus auf die Kreislaufwirtschaft insbesondere auch ein konsequentes Engagement hinsichtlich Klimaneutralität. Unsere langfristige Unter­nehmens­vision, uns vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten, kann nur dann erfolgreich sein, wenn gleichzeitig der Treibhausgasausstoß insgesamt und kontinuierlich weiter gesenkt wird, um so zum Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft beizutragen.

In Übereinstimmung mit dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) und der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) verstehen und unterstützen wir Klimaneutralität als das gesellschaft­liche Ziel, bis spätestens zum Jahr 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen. Das bedeutet, dass die von der Menschheit verursachten Emissionen durch die natürliche Absorptionsfähigkeit des Planeten entfernt werden können und somit nicht mehr klimawirksam sind.

Covestro hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 Netto-Null-Treibhausgasemissionen* in der eigenen Produktion und in der Beschaffung und dem Verbrauch extern erzeugter Energiearten an allen umweltrelevanten Standorten zu erreichen. Gleichzeitig arbeiten wir an Lösungen zur Reduzierung von Emissionen in der Wertschöpfungskette. Zur Erreichung dieses Ziels soll neben der Emissionsminderung durch Energieeffizienz­maßnahmen die Nutzung nachhaltiger Produktionsprozesse sowie klimaneutraler Energieträger bei der Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen und Dampf beitragen.

*Die Erreichung von Netto-Null-Treibhausgasemissionen ist definiert als ein Gleichgewicht zwischen der anthropogenen Erzeugung von Treibhausgasemissionen (aus eigener Produktionstätigkeit sowie aus der Beschaffung und dem Verbrauch extern erzeugter Energiearten) und dem anthropogenen Abbau von Treibhausgasemissionen.

Unser Ziel im Bereich Klimaneutralität

Icon eines Blatts (Grafik)

STAND 2022
im Vergleich zum Jahr 2020

–11,8 %

Treibhausgasemissionen1
(–0,66 Mio. t)

2021: – 2,8 % (– 0,16 Mio. t)

Bis zum Jahr 2035 wollen wir in der eigener Produktion (Scope 1) und in der Beschaffung und dem Verbrauch extern erzeugter Energiearten (Scope 2) Netto-Null-Treibhausgasemissionen an allen umweltrelevanten Standorten erreichen.

1Treibhausgasemissionen (Scope 1 und Scope 2), gemessen in Mio. t CO2-Äquivalenten und portfoliobereinigt gemäß GHG Protocol, Financial-Control-Ansatz; Global-Warming-Potential(GWP)-Faktoren entsprechend dem Fünften Sachstandsbericht des IPCC

Vor dem politischen Hintergrund des aktuell in der Europäischen Union verhandelten „Fit for 55“-Pakets und des im Berichtsjahr verabschiedeten Gesetzes zur Inflationsreduzierung (Inflation Reduction Act) in den USA sind wir zuversichtlich, dass ein schneller Aufbau klimaneutraler und zirkulärer Geschäftsmodelle entsprechend unseren Zielsetzungen erwartbar ist und unterstützt wird.

Steuerung

Die Transformation zur Klimaneutralität ist im Klimaprogramm von Covestro strategisch verankert. Im Rahmen des Programms, das von der Unternehmensfunktion Sustainability & Public Affairs geleitet wird, werden die Maßnahmen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen in Form einer CO2-Roadmap erarbeitet, Fortschritte bewertet und regelmäßig an den Vorstand berichtet. Als Referenzjahr dient das Geschäftsjahr 2020. Die CO2-Roadmap wurde im Jahr 2021 entwickelt und vom Vorstand im Berichtsjahr verabschiedet, um das bestehende Ziel von Covestro zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in Einklang mit der Unternehmensvision und regulatorischen Anforderungen zu bringen. Die CO2-Roadmap bildet die Grundlage für die Priorisierung konkreter Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion und soll grundsätzlich direkte und indirekte Emissionsquellen nach dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) adressieren und bewerten. Die Identifikation von Emissionsminderungsmaßnahmen erfolgt in enger Abstimmung zwischen unseren Standorten und relevanten Unternehmensfunktionen.

Seit dem Jahr 2022 wurde eine Nachhaltigkeitskomponente, gemessen an ausgewählten ESG-Kriterien, im Steuerungssystem verankert, um Anreize zur Erreichung unseres Klimaneutralitätsziels zu schaffen. Im Jahr 2022 sind für die Nachhaltigkeits­komponente die direkten und indirekten Treibhausgasemissionen (Scope 1 und Scope 2) der wesentlichen Standorte maßgeblich.

Implementierung

Covestro verfolgt eine Wachstumsstrategie, weshalb wir bis zum Jahr 2035 auch von einem Anstieg der Scope-1- und Scope-2-Treibhausgasemissionen in Höhe von 1,0 Mio. t CO2-Äquivalenten pro Jahr ausgehen. Demgegenüber stehen externe Effekte, die sich bis zum Jahr 2035 voraussichtlich mit einem Beitrag von 0,7 Mio. t CO2-Äquivalenten pro Jahr positiv auf unsere Klimaneutralität auswirken. Dazu gehören bspw. die deutschen Ausbauziele für erneuerbare Energien zur Erreichung eines Anteils von 80 % erneuerbaren Energien im deutschen Strommix bis zum Jahr 2030 und der geplante Kohleausstieg in Deutschland.

Um unser Netto-Null-Ziel zu erreichen, haben wir drei Handlungsfelder definiert. Wir planen die Optimierung unserer Produktionsprozesse, sodass diese eine nachhaltige und energieeffiziente Herstellung unserer Produkte ermöglichen. Daneben beabsichtigen wir, den Anteil des Bezugs von Strom aus erneuerbaren Quellen signifikant zu erhöhen. Ebenso setzen wir künftig vermehrt auf die Nutzung von grünem Dampf als erneuerbarer Energie­quelle. Mit Blick auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen bezogener Rohstoffe werden Maßnahmen wie der Wechsel auf alternative Rohstoffe geprüft. In Bezug auf mögliche verbleibende residuale Emissionen in der Zukunft, also jene, die technisch nicht vermeidbar sind, wird aktuell die Nutzung von technischen und natürlichen CO2-Senken oder Kompensationsmaßnahmen als potenziellem Ausgleich für alle Treibhausgasemissionen (Scope 1, Scope 2 und Scope 3) evaluiert.

Um die Netto-Null-Emissionen erreichen zu können, geht Covestro von Investitionen zwischen 250 bis 600 Mio. € bis zum Jahr 2030 aus. Die steigende Energieeffizienz soll zur Einsparung jährlicher operativer Kosten von voraussichtlich 50 bis 100 Mio. € führen. Dagegen erwartet Covestro auf dem Weg zu Netto-Null-Emissionen höhere operative Kosten in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrags pro Jahr. Diese Kosten­annahmen basieren auf den historischen Erfahrungen, dass Preise für fossile Energien niedriger sind als für erneuerbare Energien. Eine Matrix zur Bewertung der Rentabilität von neuen Investitionsprojekten und zu deren Auswirkungen auf die Scope-1- und -2-Treibhausgasemissionen wird zur Entscheidungsfindung verwendet.

Wir engagieren uns aktiv in allen Regionen, in denen Covestro tätig ist, politische Aktivitäten zur Beschleunigung der Industrietransformation in Richtung Klimaneutralität voranzutreiben. Auf Grundlage einer Analyse über die politische Unterstützung für die Transformation der chemischen Industrie, gehen wir davon aus, dass aktuelle politischen Rahmenbedingungen keine negative Auswirkungen auf die Erreichung unserer Reduktionsziele haben. Die Analyse wurde von der „Low-Carbon Emitting Technologies“-Initiative des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum, WEF), an der Covestro aktiv mitwirkt, im Jahr 2022 veröffentlicht. Auch der russische Krieg gegen die Ukraine wird voraussichtlich keine Auswirkungen auf die Zielerreichung haben.

Handlungsfelder zur Erreichung des Netto-Null-Ziels

in Mio. t CO2-Äquivalenten pro Jahr; alle Werte bis auf die des Jahres 2020 sind Erwartungswerte

1Die Erreichung von Netto-Null-Treibhausgasemissionen ist definiert als ein Gleichgewicht zwischen der anthropogenen Erzeugung von Treibhausgasemissionen (aus eigener Produktionstätigkeit sowie aus der Beschaffung und dem Verbrauch extern erzeugter Energiearten) und dem anthropogenen Abbau von Treibhausgasemissionen.

Covestro unterstützt in Kooperation mit Regierungen und Nichtregierungsorganisationen sowie anderen Unternehmen die Umsetzung der Ergebnisse der 21. UN-Klimakonferenz, die im Jahr 2015 in Paris stattfand. Covestro engagiert sich bspw. aktiv in der Initiative „NRW.Energy4Climate“ und in der Initiative „Chemistry4Climate“ des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), um proaktiv Lösungen für die Heraus­forderungen des Klimawandels und der dafür notwendigen Industrietransformation zu erarbeiten.

Nachhaltigere Produktionsprozesse

Wir investieren auch in Zukunft in den Ausbau bestehender und den Aufbau neuer Produktionskapazitäten. Dabei verpflichten wir uns zum Einsatz modernster klimafreundlicher Technologien im Sinne unserer Vision. Gleichzeitig machen wir die Auswirkungen unserer Investitionsprojekte auf unsere CO2-Bilanz transparent und beziehen diese auch in Profitabilitätsanalysen ein, die dem Vorstand als Entscheidungsgrundlage vorgelegt werden. Die Projekte unserer langfristigen Investitionsplanung sind bereits bei der Formulierung unserer Klimaziele und der dazugehörigen Roadmap berücksichtigt.

Wir setzen bspw. auf innovative Katalysatoren-Technologien bei der Isocyanat-Produktion, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Parallel dazu wurde eine separate Investitionskategorie für Emissionsminderungsprojekte im Rahmen der Kapitalallokation eingerichtet, um eine angemessene Priorisierung sicherzustellen. Eine Covestro-eigene Software wurde im Berichtsjahr in unsere Systeme integriert, um unsere Treibhausgasemissionen vorherzusagen. Das Tool ergänzt unsere regelmäßige Berichterstattung gemäß GHG Protocol zu den Scope-1- und -2-Treibhausgasemissionen. Im Jahr 2023 soll diese Funktionalität auf die Scope-3-Treibhausgasemissionen ausgeweitet werden.

Strom aus erneuerbaren Quellen

Neben der effizienteren Energienutzung in unserer Produktion ist der Umstieg auf erneuerbare Energien ein wichtiger Hebel auf unserem Weg zur Klimaneutralität. So möchte Covestro zukünftig die Deckung seines Energiebedarfs vollständig auf erneuerbare Energien umstellen. Dazu werden u. a. neue Versorgungskonzepte entwickelt und Energiebezugsverträge, insbesondere bezogen auf Strom, für erneuerbare Energien abgeschlossen. Neben den bereits existierenden Vereinbarungen zum Bezug von Strom aus erneuerbaren Quellen für unsere Standorte in Antwerpen (Belgien) und Nordrhein-Westfalen haben wir im Berichtsjahr weltweit weitere Vereinbarungen abgeschlossen. Im Berichtsjahr hat Covestro rund 740 GWh Strom aus erneuerbaren Quellen bezogen. Dabei wurde sowohl auf spezielle Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements) wie auch Stromzertifizierungen (z. B. Herkunftsnachweise in Europa) gesetzt. Covestro untermauert damit seine strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Ebenso soll damit ein Beitrag zur Senkung des CO2-Fußabdrucks in der Produktion, unserer Produkte und der Anwendungen unserer Kunden geleistet werden.

Grüner Dampf

Um den Wechsel zu nachhaltigeren Energiequellen (bezogen auf die Scope-2-Emissionen) weiter voranzutreiben, werden wir vor allem auf innovative Kooperationsmodelle und Technologien bauen. Die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung mit dem Standortbetreiber der Produktionsstandorte in Nordrhein-Westfalen, Currenta GmbH & Co. OHG, Leverkusen (Currenta), im Berichtsjahr markiert den ersten Schritt auf diesem Weg. Bis zum 30. Juni 2023 wollen Currenta und Covestro im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zwei mögliche Einsatzorte für Wärmepumpen näher untersuchen: den im Jahr 2021 erweiterten Chlorelektrolysebetrieb sowie den MDI-Betrieb am Standort Krefeld-Uerdingen von Covestro. In beiden Betrieben entstehen wichtige Vorprodukte.

Des Weiteren evaluieren wir Optionen zur Nutzung biogener und erneuerbarer Energieträger zur Versorgung mit Prozesswärme an unseren Standorten. Diese Technologien können perspektivisch wichtige Beiträge zur Treibhausgasminderung liefern, bspw. indem Wasserstoff und dessen Derivate zur energetischen Nutzung eingesetzt werden und in der chemischen Industrie im Rahmen der CO2-Konvertierung vor allem zur stofflichen Nutzung.

GHG Protocol / Greenhouse Gas Protocol
Internationales Accounting-System für Treibhausgasemissionen, das vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt wurde
Klimaneutralität
Ein Zustand, in dem menschliche Aktivitäten keine Nettowirkung auf das Klimasystem haben
Kreislaufwirtschaft
Ein regeneratives Wirtschaftssystem, in dem sowohl Ressourceneinsatz, Abfallproduktion, Emissionen als auch Energieeinsatz minimiert werden. Grundlage dafür sind langlebige und geschlossene Material- und Energiekreisläufe.
MDI / Diphenylmethan-Diisocyanat
Eine chemische Verbindung aus der Gruppe der aromatischen Isocyanate, die hauptsächlich in Polyurethan-Schaumstoffen verwendet wird
Netto-Null-Treibhausgasemissionen
Die Erreichung von Netto-Null-Treibhausgasemissionen ist definiert als ein Gleichgewicht zwischen der anthropogenen Erzeugung von Treibhausgasemissionen und dem anthropogenen Abbau von Treibhausgasemissionen.
Scope-1- / -2- / -3-Emissionen
Das GHG Protocol unterscheidet bei der Bilanzierung von Treibhausgasen zwischen direkten Emissionen (Scope 1), Emissionen aus der Erzeugung von extern bezogener Energie (Scope 2) sowie allen weiteren Emissionen, die vor oder nach unserer unternehmerischen Tätigkeit in der Wertschöpfungskette entstehen (Scope 3).
VCI / Verband der Chemischen Industrie
Branchenverband der chemischen Industrie in Deutschland

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