Covestro-Konzern im Überblick – Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität
Kreislaufwirtschaft
Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Unternehmen lässt sich insbesondere daran messen, in welchem Maße es uns in der Produktion gelingt, Kohlenstoffquellen auf fossiler Basis durch erneuerbare Rohstoffe zu ersetzen sowie anorganische Verbindungen auf erneuerbarer Basis herzustellen und im Kreislauf zu führen. In Bezug auf Kohlenstoffquellen setzen wir auf Produkte und Verfahren, die es uns erlauben, Biomasse, CO2 und aus Abfällen recycelte Rohstoffe einzusetzen. Daneben erlangen synthetische, auf erneuerbarer Strombasis hergestellte Rohstoffe, wie bspw. Wasserstoff, zunehmend Bedeutung. Große Hebelwirkungen für uns entfalten einerseits der Einkauf und andererseits die Weiterentwicklung eigener innovativer Verfahrenstechniken in den Bereichen CO2-Nutzung, Biotechnologie sowie Recycling von Kunststoffen mit chemischen Verfahren. Insbesondere im Recycling setzen wir dabei auf neue strategische Partnerschaften und eine Zusammenarbeit innerhalb der Wertschöpfungskette, um die alternative Rohstoffnutzung entlang der Wertschöpfungskette transparent zu machen und um gebrauchte Kunststoffe am Ende ihres Lebenszyklus dem Recycling zuführen zu können.
Monitoring von Zirkularität im Unternehmen
Um Erfolge und Fortschritte bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Sinne unserer Unternehmensvision messen zu können, haben wir im Berichtsjahr verschiedene Indikatoren und Messansätze zur Zirkularität im Unternehmen untersucht und bewertet. Darauf aufbauend wollen wir ein angepasstes System für Covestro entwickeln. Hierzu ziehen wir auch bestehende Modelle, z. B. die der Ellen-MacArthur-Stiftung oder des globalen Nachhaltigkeitsforums „World Business Council for Sustainable Development“ (WBCSD), heran und bauen auf unserer bisherigen Erfahrung im Rahmen der Ansätze zur Kohlenstoffproduktivität auf.
Kriterien für ein nachhaltiges zirkuläres Produktportfolio
Um künftig unser Produktportfolio noch stärker auf zirkuläre Lösungen für unsere Kunden auszurichten und sie gezielt anbieten zu können, haben wir damit begonnen, Kriterien und Zirkularitätsanforderungen für unsere Produkte und Dienstleistungen zu definieren. Dies gilt z. B. im Hinblick auf Mindestanteile recycelter oder erneuerbarer Rohstoffe und die kombinierte Nutzung erneuerbarer Energien bei der Produktion unserer Materialien. Im Vordergrund steht dabei auch die Verbesserung des CO2-Fußabdrucks im Vergleich zum konventionellen Produktportfolio, um einen signifikanten Beitrag zur perspektivisch klimaneutralen Wertschöpfung der Industrie zu leisten. Im Berichtszeitraum haben wir in beiden Segmenten neue, auf zirkulären Ansätzen basierende Produktlösungen angeboten.
Recycelbarkeit und Lösungen für das Ende des Lebenszyklus
Unsere technische Kernkompetenz liegt in der Entwicklung und Anwendung komplexer chemischer Verfahren und Prozesse. Dieses Know-how wollen wir insbesondere zur Etablierung innovativer chemischer und biochemischer Recycling- und Produktionsprozesse für die Kreislaufwirtschaft nutzen. Wir möchten Verfahren etablieren, die es uns ermöglichen, aus gebrauchten Materialien wieder die zu deren Herstellung benötigten chemischen Vorprodukte zurückzugewinnen. Diese können wiederum als Rohstoff in unserer Produktion eingesetzt werden. Daneben wollen wir künftig auch Rohstoffe einsetzen, die in vorgelagerten Wertschöpfungsstufen recycelt wurden. Insgesamt sind chemische Verfahren zur Kreislaufführung für Covestro wichtige Hebel, die dabei helfen, fossile Materialien schrittweise zu ersetzen und zum Schließen von Kohlenstoffkreisläufen als Pfeiler einer klimaneutralen Produktionsweise beizutragen. Die Vorteilhaftigkeit der neuen Verfahren wird mittels Ökobilanzierung (Life Cycle Assessment, LCA), also unter Berücksichtigung von Auswirkungen und Beiträgen entlang des gesamten Lebenszyklus, überprüft.
Im Austausch mit Politik und Gesellschaft setzen wir uns dafür ein, dass das benötigte regulatorische Umfeld zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft innovationsoffen gestaltet wird und neben etablierten Recyclingmethoden wie dem mechanischen Recycling auch chemische Recyclingverfahren als komplementäre Verfahren anerkannt werden.
Covestro forscht derzeit in mehr als 20 Projekten an Recyclingverfahren für die eigenen Produkte und Materialien. Von besonderer Bedeutung sind für Covestro hierbei Verfahren, mit denen Materialien chemisch oder enzymatisch wieder in ihre Moleküle umgewandelt werden können. Die so gewonnenen Sekundärrohstoffe haben eine vergleichbare Qualität und vergleichbare Eigenschaften wie herkömmlich hergestellte Rohstoffe und können daher erneut zur Herstellung von Produkten und Materialien eingesetzt werden.
Fortschritte wurden z. B. im Bereich des thermochemischen Recyclings von Hochleistungsmaterialien mit komplexeren Zusammensetzungen erzielt. Für die thermische Spaltung chemischer Verbindungen unter Einsatz hoher Temperaturen – kurz Pyrolyse – konnte Covestro im Berichtsjahr zwei neue Laboranlagen an den Standorten Antwerpen (Belgien) und Dormagen in Betrieb nehmen. In diesen Anlagen können sowohl Polycarbonate als auch Polyurethan-Hartschaum zu hochwertigen Molekülen zersetzt werden, um wieder als recycelte Rohstoffe in die Produktion integriert zu werden. Mit unserem Ansatz der Niedrigtemperatur-Pyrolyse können wir gegenüber der herkömmlichen Hochtemperatur-Pyrolyse mehrere Prozessschritte einsparen und so die CO2-Emissionen wesentlich reduzieren.
Sowohl die Pyrolyse als auch die Chemolyse werden als mögliche chemische Recyclingtechnologien für Polyurethan-Hartschaum untersucht und vorangetrieben. In der Chemolyse werden Polymere mithilfe von Lösungsmitteln, Katalysatoren und Hitze sowie ggf. unter Druck u. a. in Monomere und Zwischenprodukte zurückgewandelt. Dazu hat im Oktober 2021 ein von Covestro koordiniertes Projekt der Europäischen Union namens „CIRCULAR FOAM“ mit einer Laufzeit von vier Jahren begonnen.
Des Weiteren hat Covestro im Jahr 2021 Fortschritte im chemischen Recycling von Polyurethan-Weichschaum aus Matratzen erzielt. Nach der Inbetriebnahme einer Pilotanlage in Leverkusen Ende 2020 haben wir im Berichtsjahr weiterhin detaillierte Prozessparameter untersucht und konnten so die bisherigen Laborergebnisse weiter evaluieren.
Eine weitere strategische Option für Covestro ist das enzymatische Recycling. Hierbei werden Enzyme dazu genutzt, Kunststoffe hochselektiv und bei milden Temperaturen in kleinere Bestandteile (Monomere) zu schneiden. Diese Monomere können im Anschluss wiederum zur Produktion von neuen, gleichwertigen Kunststoffen genutzt werden. Das enzymatische Recycling befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase, ist aber aufgrund der hohen Selektivität (wenig bis keine Nebenprodukte) und milden Bedingungen bei niedrigen Prozesstemperaturen äußerst vielversprechend. Covestro hat dieses Potenzial erkannt und neben eigenen Forschungsaktivitäten wichtige Kooperationen gestartet, um diese innovative Technologie für das Recycling zu nutzen.
Neben der Entwicklung innovativer Recyclingverfahren nimmt Covestro auch die Abfalllogistik in den Blick. Wir entwickeln diese entsprechend den Zielen einer zirkulären Wirtschaft weiter, um Altmaterialien und Produkte am Ende ihrer Lebensdauer einer geeigneten Verwertung zuführen zu können. Covestro hat zu diesem Zweck im Berichtszeitraum mit dem Umweltdienstleister Interseroh Dienstleistungs GmbH, Köln, eine strategische Absichtserklärung unterzeichnet, die auf die Kooperation zum Aufbau neuer Recyclingkreisläufe ausgerichtet ist. Diese Kooperation ist ein wichtiger Meilenstein für das Zusammenwachsen von Chemie- und Recyclingindustrie.
Alternative Rohstoffquellen
Neben der eigenen Produktion recycelter und biogener Rohstoffe ist die strategische Ausrichtung unseres Rohstoff- und Energieeinkaufs auf die Unternehmensvision von essenzieller Bedeutung. Wir wollen den Anteil alternativer Rohstoffe in der Produktion kontinuierlich erhöhen und langfristig auf 100 % steigern. Unter alternativen Rohstoffen verstehen wir insbesondere alle Rohstoffe, die auf Biomasse, CO2 oder Abfällen beruhen oder auf nichtfossiler Basis mithilfe von erneuerbarer Energie hergestellt werden.
Im Geschäftsjahr 2021 hat Covestro die eigene Belieferung mit alternativen strategischen Rohstoffen weiter ausgebaut. Wir haben insgesamt über 20.000 t zirkuläre Produktionsrohstoffe eingekauft und in die Produktion im europäischen Raum sowie am chinesischen Standort Shanghai integriert. Damit soll einem breiten Markt ein stetig wachsendes Portfolio nachhaltig hergestellter Materialien angeboten werden können.
Um die Zertifizierung dieser Rohstoffe in der weiteren Nutzung entlang der gesamten Wertschöpfung abzubilden, haben wir damit begonnen, unsere Produktionsstandorte nach dem „ISCC PLUS“-Verfahren zertifizieren und auditieren zu lassen. Die internationale Nachhaltigkeits- und Kohlenstoff-Zertifizierung (International Sustainability and Carbon Certification, ISCC) ist ein anerkanntes System für die Nachhaltigkeitszertifizierung von Biomasse und Bioenergie. Der Standard deckt alle Stufen der Wertschöpfungskette ab und ist weltweit verbreitet. Im Berichtszeitraum hat Covestro neben Krefeld-Uerdingen und Antwerpen (Belgien) weitere Standorte, wie bspw. Shanghai (China), für die Integration erneuerbarer Rohstoffe in die Produktion nach dem „ISCC PLUS“-Verfahren zertifizieren lassen.
Neue Geschäftsmodelle, Digitalisierung und Transparenz im Wertschöpfungskreislauf
Für die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist es von entscheidender Bedeutung, dass am Ende der Materiallebensdauer die notwendigen Informationen zur Auswahl der geeigneten Verwertungs- und Recyclingmöglichkeit zur Verfügung stehen. Zusammen mit den Unternehmen Circularise, Den Haag (Niederlande), und DOMO Chemicals, Leuna, engagiert sich Covestro in dem Projekt „Circularise Plastics“. Ziel des Projekts ist es, einen offenen Blockchain-Standard für die Etablierung eines Datenaustauschprotokolls zu entwickeln.
Covestro setzt zudem digitale Verfahren ein, um die Technologieentwicklung im Rahmen des zirkulären Projektportfolios zu unterstützen. Die sogenannte In-silico-Entwicklung von Katalysatoren, bei der der Ablauf chemischer Reaktionen und die Wirkung unterschiedlicher Katalysatorstrukturen mit computergestützten Methoden berechnet werden, und die Simulation von Reaktionen sind gängige Methoden aus der digitalen Chemie, die in diesem Zusammenhang Anwendung finden. Wir setzen unsere Kompetenzen in der Digitalisierung ein, um wichtige Polymer-Ausgangsmaterialien auf Basis alternativer Rohstoffe zu entwickeln. Darüber hinaus fokussiert sich Covestro auf das Schließen von Wertstoffströmen in zahlreichen Anwendungen des Produktportfolios. Dies umfasst Partnerschaften und neue Geschäftsmodelle, um Mehrwert für unsere Kunden zu generieren, z. B. durch das Angebot recycelter Produkte. Hierbei unterstützen moderne Datenwissenschaftsmethoden die Anpassung an zukünftige Wertschöpfungsketten.
Globale und regionale Förderung der Kreislaufwirtschaft
Wir treiben die Kreislaufwirtschaft auch in globalen und regionalen Initiativen voran. Covestro engagiert sich bspw. als Gründungsmitglied der „Allianz gegen Kunststoffmüll in der Umwelt“ (Alliance to End Plastic Waste) aktiv für den Aufbau von geregelten Entsorgungs- und Verwertungssystemen für Kunststoffabfälle, um deren Eintrag in die Umwelt zu stoppen.
In Europa beteiligt sich Covestro nicht nur an diversen Forschungs- und Entwicklungsprojekten zur Kreislaufwirtschaft, sondern auch auf gesellschaftspolitischer Ebene an weiteren Projekten in diesem Bereich. Covestro ist bspw. Gründungsmitglied der Circular Plastics Alliance, die sich zum Ziel gesetzt hat, ab dem Jahr 2025 jährlich mindestens 10 Mio. t recycelte Kunststoffe in der europäischen Industrie einzusetzen. In spezifischen Arbeitsgruppen werden hierfür wertschöpfungskettenspezifische Handlungsempfehlungen erarbeitet. Covestro ist hierbei aktives Mitglied in den Gruppen „Automobil“, „Verpackungen“, „Bauen“, „Elektronik“ und „Monitoring“.
In China engagieren wir uns außerdem in verschiedenen Verbänden wie der „China Petroleum and Chemical Industry Federation“ (CPCIF), der „China Plastics Reuse and Recycling Association“ (CPRRA) und der „China Circular Economy Association“ (CCEA) zum Thema Kreislaufwirtschaft. Im Rahmen dieser Engagements will Covestro in China dazu beitragen, zirkuläre Konzepte für Kunststoffe voranzubringen und das entsprechende Bewusstsein in Politik und Gesellschaft für Kreislaufoptionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu schaffen. Als eines der wichtigsten Erzeugerländer im Bereich Kunststoffe ergreift China verschiedene Maßnahmen, um das inländische Kunststoffrecycling zu fördern und gleichzeitig Einwegkunststoffe zu verbieten oder einzuschränken. Gemeinsam mit einem Konsortium von Partnern aus der chinesischen Recycling-Wertschöpfungskette trug Covestro im Berichtsjahr zur Entwicklung von nationalen Standards für recyceltes Polycarbonat bei.